Dieser Artikel dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken und ersetzt keinesfalls eine professionelle medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung. Wenden Sie sich bei gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden immer an eine qualifizierte Ärztin, einen qualifizierten Arzt oder Apotheker:in. Die Einnahme, Dosierung oder das Absetzen von Medikamenten wie Bupropion darf nur nach ärztlicher Anweisung erfolgen. Ignorieren Sie niemals professionellen medizinischen Rat oder zögern Sie nicht, diesen einzuholen, weil Sie etwas in diesem Text gelesen haben.
Die Behandlung von Depressionen ist ein komplexes Feld, in dem die Wahl des richtigen Medikaments entscheidend für den Therapieerfolg ist. Ein häufiges und belastendes Problem bei vielen Antidepressiva, insbesondere den weit verbreiteten Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), sind sexuelle Funktionsstörungen. Viele Patientinnen und Patienten berichten über verminderte Libido, Schwierigkeiten beim Erreichen eines Orgasmus oder Erektionsprobleme.
In diesem Kontext rückt der Wirkstoff Bupropion immer wieder in den Fokus. Ihm eilt der Ruf voraus, die Sexualität deutlich weniger zu beeinträchtigen oder sie in manchen Fällen sogar positiv zu beeinflussen. Doch was ist dran an dieser Annahme? Dieser Artikel beleuchtet den Zusammenhang zwischen Bupropion und der sexuellen Funktion.
Der entscheidende Unterschied: Warum Bupropion anders wirkt
Um zu verstehen, warum Bupropion eine Sonderstellung einnimmt, muss man seinen Wirkmechanismus betrachten.
- SSRI und SNRI: Die meisten gängigen Antidepressiva (z. B. Citalopram, Sertralin, Venlafaxin) wirken primär auf das Serotonin-System oder auf Serotonin und Noradrenalin. Eine Erhöhung des Serotoninspiegels ist zwar wirksam gegen depressive Symptome, kann aber gleichzeitig dämpfend auf das sexuelle Verlangen (Libido) und die Orgasmusfähigkeit wirken.
- Bupropion: Bupropion gehört zur Klasse der Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI). Es erhöht die Konzentration dieser beiden Botenstoffe im Gehirn, lässt das Serotonin-System aber weitgehend unberührt. Insbesondere Dopamin spielt eine zentrale Rolle für das Belohnungszentrum, die Motivation und auch für das sexuelle Verlangen.
Dieser grundlegend andere Ansatz ist der Hauptgrund, warum das Nebenwirkungsprofil von Bupropion im Hinblick auf die Sexualität deutlich günstiger ausfällt.
Mögliche Auswirkungen von Bupropion auf die Sexualität
Die Erfahrungen mit Bupropion sind vielfältig, aber die klinischen Daten zeichnen ein relativ klares Bild.
Ein Ruf als „sex-freundliches“ Antidepressivum
In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass das Risiko für sexuelle Funktionsstörungen unter Bupropion auf Placebo-Niveau liegt. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Anwenderinnen und Anwender keine negativen Veränderungen ihrer sexuellen Funktion bemerkt.
In einigen Fällen wird sogar von einer positiven Wirkung berichtet. Studien und Fallberichte haben gezeigt, dass Bupropion bei manchen Menschen die Libido steigern kann. Eine Untersuchung an nicht-depressiven Frauen mit vermindertem sexuellen Verlangen (HSDD) deutete auf einen positiven Effekt hin. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Bupropion nicht zur Behandlung von sexuellen Funktionsstörungen zugelassen ist und eine solche Wirkung keine Garantie ist.
Können auch negative Effekte auftreten?
Obwohl deutlich seltener als bei SSRI, sind auch unter Bupropion sexuelle Nebenwirkungen nicht gänzlich ausgeschlossen. In klinischen Studien traten sie nur bei einem kleinen Teil der Patientinnen und Patienten auf (ca. 3–14 %). Zu den selten genannten Störungen gehören Erektionsprobleme oder eine veränderte Ejakulation. Wie bei jedem Medikament sind die individuellen Reaktionen sehr unterschiedlich.
Bupropion als Lösungsansatz bei sexuellen Störungen
Aufgrund seines günstigen Profils wird Bupropion in der Praxis häufig als strategische Option eingesetzt, wenn unter anderen Antidepressiva sexuelle Probleme auftreten. Ärztinnen und Ärzte verfolgen dabei meist zwei Ansätze:
- Umstellung (Switching): Wenn ein Patient oder eine Patientin gut auf ein SSRI anspricht, aber stark unter sexuellen Nebenwirkungen leidet, kann eine Umstellung auf Bupropion eine wirksame Alternative sein, um die depressive Symptomatik weiterhin zu behandeln, aber die sexuelle Funktion zu verbessern.
- Zusatzmedikation (Augmentation): In manchen Fällen wird Bupropion zusätzlich zu einem bestehenden SSRI verschrieben. Ziel dieser Kombinationstherapie ist es, die sexuellen Nebenwirkungen des SSRI durch die dopaminerge Wirkung von Bupropion auszugleichen, ohne die antidepressive Wirkung zu verlieren.
Wichtig: Die Rolle der Depression selbst
Bei der Diskussion über Nebenwirkungen darf ein entscheidender Faktor nicht vergessen werden: Die Depression selbst ist eine der häufigsten Ursachen für sexuelle Unlust und Funktionsstörungen. Antriebslosigkeit, ein gedrückter Gemütszustand und ein geringes Selbstwertgefühl wirken sich direkt auf die Libido und das sexuelle Erleben aus.
Eine erfolgreiche antidepressive Behandlung, die diese Symptome lindert, kann daher von sich aus bereits zu einer Verbesserung der Sexualität führen – unabhängig vom gewählten Medikament.
Fazit
Bupropion stellt eine wichtige Behandlungsoption für Menschen mit Depressionen dar, insbesondere für jene, für die der Erhalt einer normalen sexuellen Funktion eine hohe Priorität hat.
- Aufgrund seines einzigartigen Wirkmechanismus auf Dopamin und Noradrenalin verursacht Bupropion signifikant seltener sexuelle Nebenwirkungen als die meisten anderen Antidepressiva.
- Es wird oft als Alternative oder Ergänzung eingesetzt, um sexuelle Funktionsstörungen zu lindern, die durch andere Medikamente verursacht wurden.
- Negative sexuelle Effekte sind zwar möglich, aber selten.
Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Antidepressivum ist immer eine individuelle Abwägung, die Sie gemeinsam mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem Arzt treffen sollten. Nur sie können Ihre persönliche Situation und Krankengeschichte beurteilen und die bestmögliche Therapie empfehlen.