Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzt keinesfalls eine ärztliche Diagnose oder Behandlung. Die hier beschriebenen Symptome können auf schwerwiegende Komplikationen hindeuten. Bei Verdacht auf eine verschleppte oder komplizierte Mittelohrentzündung, insbesondere bei hohem Fieber, starkem Schwindel oder neu auftretenden neurologischen Symptomen, suchen Sie umgehend einen Arzt (HNO-Arzt) oder eine Notaufnahme auf.
Eine akute Mittelohrentzündung (Otitis media) ist vor allem bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen eine häufige und sehr schmerzhafte Erkrankung. Typischerweise äußert sie sich durch stechende Ohrenschmerzen, Fieber und ein gedämpftes Hörvermögen. In den meisten Fällen heilt sie mit der richtigen Behandlung und etwas Schonung folgenlos aus.
Problematisch wird es jedoch, wenn eine solche Entzündung nicht oder nur unzureichend behandelt wird. Man spricht dann von einer „verschleppten“ Mittelohrentzündung. Die Bakterien oder Viren können sich dann vom Mittelohr aus in benachbarte Strukturen ausbreiten und zu ernsthaften, teils gefährlichen Komplikationen führen. Die Symptome gehen dann weit über normale Ohrenschmerzen hinaus.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine verschleppte Mittelohrentzündung liegt vor, wenn die Infektion nicht abheilt und sich auf benachbarte Bereiche wie den Schädelknochen hinter dem Ohr (Mastoiditis) oder das Innenohr ausbreitet.
- Warnsignale für eine Komplikation sind neu auftretende, starke Schmerzen hinter dem Ohr, eine abstehende Ohrmuschel, starker Schwindel mit Übelkeit oder eine plötzliche Gesichtslähmung.
- Beim Auftreten solcher Symptome, insbesondere in Verbindung mit hohem Fieber und einem starken Krankheitsgefühl, ist sofortige ärztliche Hilfe erforderlich.
Wenn die Entzündung wandert: Typische Komplikationen und ihre Symptome
Wenn die Erreger die Grenzen des Mittelohrs überwinden, können sie folgende benachbarte Strukturen befallen und spezifische Symptome hervorrufen:
1. Mastoiditis: Entzündung des Knochens hinter dem Ohr
Dies ist die häufigste Komplikation einer verschleppten Mittelohrentzündung. Die Infektion greift vom Mittelohr auf den Warzenfortsatz (Mastoid) über, einen belüfteten Teil des Schädelknochens direkt hinter der Ohrmuschel.
- Typische Symptome:
- Starke, pochende Schmerzen hinter dem Ohr.
- Eine sichtbare, teigige Schwellung und Rötung in diesem Bereich.
- Die Ohrmuschel steht oft leicht ab.
- Starker Druckschmerz, wenn man auf den Knochen hinter dem Ohr drückt.
- Erneuter Anstieg von Fieber und ein stark ausgeprägtes Krankheitsgefühl.
- Oftmals ein fortgesetzter oder wiederkehrender Ausfluss aus dem Ohr.
2. Labyrinthitis: Entzündung des Innenohrs
Das Innenohr beherbergt das Gleichgewichtsorgan und die Hörschnecke. Greift die Entzündung auf diesen Bereich über, führt dies zu massiven Störungen dieser Funktionen.
- Typische Symptome:
- Plötzlich einsetzender, heftiger Drehschwindel, oft begleitet von Übelkeit und Erbrechen.
- Eine plötzliche, oft deutliche Verschlechterung des Hörvermögens auf dem betroffenen Ohr.
- Auftreten von Ohrgeräuschen (Tinnitus).
- Unkontrollierbare, rhythmische Augenbewegungen (Nystagmus).
3. Fazialisparese: Lähmung des Gesichtsnervs
Der Gesichtsnerv (Nervus facialis) verläuft auf seinem Weg durch den Schädel in unmittelbarer Nähe zum Mittelohr. Eine starke Entzündung kann auf den Nerv übergreifen und seine Funktion beeinträchtigen.
- Typische Symptome:
- Eine halbseitige Lähmung der Gesichtsmuskulatur.
- Ein hängender Mundwinkel, das Auge lässt sich auf der betroffenen Seite nicht mehr vollständig schließen.
- Schwierigkeiten beim Sprechen oder Essen.
- Oftmals Geschmacksstörungen.
4. Seltene, aber gefährliche intrakranielle Komplikationen
In sehr seltenen Fällen, insbesondere bei einem geschwächten Immunsystem, können die Bakterien die Schädelknochen durchbrechen und das Gehirn oder die Hirnhäute befallen. Dies ist ein lebensbedrohlicher Notfall.
- Meningitis (Hirnhautentzündung): Stärkste Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, hohes Fieber, Lichtscheuheit und Erbrechen.
- Hirnabszess: Eine abgekapselte Eiteransammlung im Gehirn, die zu neurologischen Ausfällen, Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen führen kann.
Fazit: Ohrenschmerzen immer ernst nehmen
Die beschriebenen Komplikationen sind dank moderner Antibiotika-Therapien selten geworden, aber sie kommen vor. Eine verschleppte Mittelohrentzündung ist kein Kavaliersdelikt.
Die wichtigste Botschaft lautet daher: Nehmen Sie eine Mittelohrentzündung immer ernst. Suchen Sie bei starken Ohrenschmerzen einen Arzt auf und halten Sie sich an die verordnete Therapie. Sollten sich die Symptome nach einigen Tagen nicht bessern oder gar neue, alarmierende Anzeichen wie Schmerzen hinter dem Ohr oder starker Schwindel hinzukommen, zögern Sie keine Sekunde und suchen Sie umgehend erneut ärztliche Hilfe. Eine rechtzeitige Behandlung kann schwerwiegende und bleibende Schäden verhindern